Die Trinitarische "Gnosis" des Meister Eckhart: Hinter dem "Gott hinter Gott"

Die Doktrin der Trinität ist sicherlich einer der zentralen Divergenzpunkte zwischen der „Weisheit der Weisen“ und der „göttlichen Torheit“ (1. Kor.) der christlichen Offenbarung; für das Christentum ein unerlässlicher „Eckstein“, muss sie für selbst-stilisierte gnostikoi aller Couleur seit jeher zum „Stein des Anstoßes“ werden, kann man sich ja dem Eindruck nicht erwehren, dass die nur „numerische“ Dreifaltigkeit in Relation zur absoluten Eins-heit in letzter Konsequenz notwendigerweise immer einen relativen Charakter aufweisen muss[1] und so ist es unter nicht wenigen „ésotéristes hâtfis“[2] mittlerweile nicht unüblich im Dreieinigen Gott nicht viel mehr als ein „niederes Absolut“ (apara-brahman) zu sehen, den Ishvara des bhakti-yoga, das „Gesicht (bzw. die Maske) Gottes“, das zum Menschen gewandt ist, von dem der jñanin jedoch weiß, dass auch dieses sub specie aparāvidyā – letztlich ein Werk der Mahāmāya [3] ist.

 

Um diese Meinung, namentlich, dass das Dogma der Trinität lediglich der „Theologie“ und nicht der „Metaphysik“ im eigentlichen Sinne zuzuordnen sei zu untermauern, bedienen sich jene übereilten gnostikoi gerne auch vor allem der Schriften des Meister Eckhart, der ihnen mit seinem apophatisme impersonnel de la divinité-néant“ (Lossky, La thélogie mystique, chp. 3) seit jeher als geheimer Verbündeter gilt; und in der Tat lässt sich nicht leugnen, dass es in Eckhart durchaus loci gibt, die solche eine strikte Trennung von para- und apara-brahman zumindest nahelegen. Die hierbei wohl am meisten angeführte Stelle ist jene wohlbekannte Passage aus der 2. Predigt, in der uns der Meister von einem „Bürglein“ (bürgelîn) in der Seele erzählt, welches so „einig Eins und einfaltig“ ist, das niemand könne dort „hineinlugen“, nicht einmal Gott selbst:

 

„Gott selbst wird niemals nur einen Augenblick da hineinlugen und hat noch nie hineingelugt, soweit er in der Weise und »Eigenschaft« seiner Personen existiert. Dies ist leicht einzusehen; denn dieses einige Eine ist ohne Weise und ohne Eigenheit. Und drum: Soll Gott je darein lugen, so muß es ihn alle seine göttlichen Namen kosten und seine personhafte Eigenheit; das muß er allzumal draußen lassen, soll er je darein lugen. Vielmehr, so wie er einfältiges Eins ist, ohne alle Weise und Eigenheit, so ist er weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist in diesem Sinne und ist doch ein Etwas, das weder dies noch das ist.“

 

Nun, hier scheint es tatsächlich als würde auch Eckhart eine klare Trennung von Trinität (saguna brahman) und absoluter Einheit (nirguna brahman) vornehmen, als würde sich hinter dem „Ishvara-Gesicht“ Gottes in jenem bürgelîn tatsächlich noch ein ominöser Deus absconditus verbergen, den „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört“ (2. Kor. 2:9); ein Theorem, das Bernard McGinn treffend als die „God beyond God“ Hypothese bezeichnet[4].

 

Auch wenn die Beweislast also schon von Anfang an erdrückend scheint, gilt es auch hier wieder der „koanischen“[5] Ausdrucksweise des Meisters Rechnung zu tragen, weshalb wir im Folgenden tiefer in den Trinitarischen Gedanken Eckharts einsteigen wollen, um das Verhältnis zwischen Dreifaltigkeit und Einheit, Gott und Gottheit, genauer zu beleuchten. Zu diesem Zwecke soll hier kurz jener „Prozess“ nachvollzogen werden, den Eckhart auch die „ewige Geburt des Wortes“ nennt; da sich diese jedoch offensichtlicher Weise schlichtweg außerhalb von Raum und Zeit ereignet, namentlich in jenem „ewigen Jetzt in dem Gott ist von Ewigkeit und in dem auch der Ausgang (emanatio) der göttlichen Personen ewig ist, war und sein wird“ (In Gen.) sei hier stets erinnert, dass wir hier kaum von einem „Prozess“ im eigentlichen Wortsinn sprechen können, weshalb zeitliche Begrifflichkeiten, die sich zwecks Verständnis kaum vermeiden lassen werden, stets rein „symbolisch“ aufzufassen sind. Es gilt also auch hier das warnende Wort Jakob Böhmens voranzustellen:

 

„Wenn ich dir die Geburt Gottes aus sich selbst begreiflich machen soll, so muss ich wohl auf eine teuflische Weise reden, als ob das ewige Licht aus der Finsternis sich angezündet, als ob die Gottheit einen Anfang hätte“ (Aurora, XXIII).

 

In solch „teuflischer Weise“ könnten wir also dann also sagen: In Principio war das Nicht-Sein. Dies bedeutet keinesfalls das „Nichts“, sondern schlicht die absolute Undeterminiertheit (nirguna brahman), „la Possibilité universelle[6], „absolute actualitas und absolute possibilitas [7]: „Am Anfang des Anfangs, war nicht mal das Nichts“[8]  (Nan-Hua-Ch'ên Ching, XII.), „weder Nicht-Sein (asat) war da, noch war Sein (sat); nur das Eine atmete ohne Odem“ (Rg-Veda, X.129).

 

Eckhart nennt dies auch schlicht das Prinzip, die negatio negationis[9], das Eine (unum[10]) bzw. das einige Ein (ainige ain[11]), den grunt gotes oder einfach „die Gottheit“ und wir werden in diesem Un- und dd göttlichen Nicht-Seins auch unschwer unserer bürgelîn wiedererkennen können, in das, so der Meister, nicht mal „Gott“ hineinschauen kann.

 

Aus der absoluten Möglichkeit (mügentheit[12]) dieses grundlose mere der gotheit „urständet“ von Ewigkeit ein ewiger Wille[13]: „Der Vater ist erstlich der Wille des Ungrunds, Er ist außer aller Natur oder Anfänge der Wille zum Ichts, der fasset sich in eine Lust zu seiner Selbst-Offenbarung“ (Böhme; Mys. Mag. VII, 6); denn „die erste morgenröt waz der wille des vaters“ (Lib. Pos.) und des Vaters ewiger Wille ist es den Sohn zu gebären[14] und wo er Vater ist, „da muss er wirken und sein Wort sprechen (Pr. 102)[15]:

 

„Ich war ein verborgener Schatz und Ich sehnte mich danach, erkannt zu werden“ (Hadīth qudsī).

 

Also spricht er, in der „heimlichen Schatzkammer ewiger Vaterschaft“ (P. 22), ewig und âne underlâz das Wort aus seiner all-mügentheit, gebiert ewig den Sohn uz dem verborgenen vinsternisse der ewigen verborgenheit (P. 22) und der „stillen Düsternis des unbekannten übergöttlichen Gottes“ (P. 101); ein Her-vorgang den Eckhart auch als ûzbruch oder bullitio (buchstäblich „kochen“ / „sprudeln“) bezeichnet:

 

„Der erste Ausbruch (ûzbruch) und das erste Ausschmelzen, worin Gott ausschmilzt (ûzsmilzet), darin schmilzt er in seinen Sohn, und da schmilzt er zurück in den Vater“ (P. 35) und ist ein „Ausfluss (emanatio) aus den Tiefen der Stille … ein inneres »Sprudeln« (bullitio) ohne »Übersprudeln« (ebullitio)“ (S. XLIX).

 

Dieser „Ausfluss“ (exitus/emanatio/ûzganc/ûzfliessen) wird von Eckhart wesentlich als ein Akt der (Selbst-)Erkenntnis ausgelegt; das ainige ain des göttlichen grunts ent-äußert sich ewig im Wort (Sohn) worin es sich ewig (als Vater) erkennt und diese Erkenntnis seiner selbst, die sich im „Einfluss“ (reditus/restoratio/inganc) vollzieht, ist der Heilige Geist, den Vater und Sohn[16] aus einem Munde atmen und welcher alle Verschiedenheit „ausgeistet“[17] (ex-spiriert):

 

„Von götlicher mügentheit brichet uz diu wisheit, und uz in beiden brichet diu minne, daz ist der brant“ (P. 31), so „daz in dem vater si mügentheit und glicheit in dem sune und einunge in dem heiligen geiste“ (P. 3).

 

Diese „Einung“ ist so absolut, dass die göttliche Erkenntnis keinesfalls als eine „Erkenntnis von etwas“ missdeutet werden sollte, erkennt Gott ja niht mit keinem bilde, sodass man in keiner Weise von irgend einem „Objekt“ sprechen könnte, sondern lediglich von reiner Erkenntnis (gnosis) als solcher:

 

„Gebt acht: Seht, Gott Vater hat vollkommenen Einblick in sich selbst und ein abgründiges Durch-und-durch-Kennen seiner selbstdurch sich selbst, ohne irgendein Erkenntnisbild. Und darum zeugt der Vater seinen Sohn in der göttlichen Natur in wahrer Einheit“ (P.101).

 

Denn, so der Meister, „das Eine (unum) … produziert nicht etwas, dass ihm »gleich« ist, sondern was mit ihm eins ist und es selbst ist. Denn was ihm nur »gleicht« enthält immer Differenz und numerische Diversität, die es im Einen schlicht nicht geben kann. Darum ist der formale Ausgang der Personen eine Art „Sprudeln“ (bullitio) und darum sind die drei Personen einfach und absolut eins“ (In Ioh.); sie “gehen aus von dem Einen (unum) und kehren zurück zu dem Einen  … denn eine Essenz ist Ihre Wurzel und die Drei Personen sind die eine Essenz“ (ebd.): „Alle Flüsse fließen ins Meer; zu dem Orte, wo sie entspringen, kehren sie zurück, und fließen von dort wieder aus“ (Sir. 1:7)[18].

 

Dieser ewige exitus-reditus[19] ist das Leben Gottes  (gotes ûzganc ist sin inganc) und aus dem „ewigen Spiel“ (lîla) und Widerspiegeln-Widerspielen ("suo splendore … risplendendo”; Paradiso, XXIX) „sprudelt“ die ganze Mannigfaltigkeit der All-Schöpfung:

 

„Gott, insofern er gut ist, [ist] der Ursprung des Übersprudelns nach außen, insofern ihm aber die <personenbildenden> Merkmale zukommen, ist er der Ursprung des Sprudelns (bullitionis) in sich selbst, das sich nach Art der urbildlichen Ursache zum Übersprudeln (ebullitionem) verhält. Daher ist der Ausgang der Personen in Gott als urbildliche Ursache der Schöpfung früher als sie. Weiter besteht die erste Gnade in einer Art Ausfluß, Ausgang von Gott; die zweite besteht in einer Art Rückfluß oder Rückkehr in Gott“ (S. XXV).

 

Der Ausgang der Personen (bullitio) ist also auch „urbildliche Ursache“ des kreativen Ausgangs der Schöpfung (ebullitio); wiewohl Eckhart hier auch von einem „früheren Ausgang“ spricht, ist dies keinesfalls „temporell“ sondern abermals rein „ontologisch“ zu verstehen, ermahnt uns ja der Meister an anderer Stelle: „Gott wirkt alle seine Werke in ihm selber und außer ihm selber in einem Augenblick“ (P. 101) und „in eben jenem Jetzt in dem er seinen gleich-ewigen Sohn gezeugt hat, schuf er auch die Welt“ (In. Gen.). Denn „alles, was Gott wirkt, das ist Eins“ (P. 6), sowie auch nur ein Wort ist, denn „Gott spricht ein für alle Mal“ (Hiob 33:14):

 

„Der himelische vater sprichet ein wort und sprichet daz ewicliche, und in dem worte verzert er alle sine macht und sprichet sine götliche nature alzemale in dem worte und alle creaturen[20]“ (P. 19)

 

Die „zwei Quellen“ – die eine, „wo der Vater seinen einziggeborenen Sohn ausgebieret“ und die andere, „wo die Geschöpfe aus Gott fließen“ (P. 38) – bullitio und ebullitio sind also – in Divinis – lediglich ein Quell und ein „Sprudeln“[21]: „Eines hat Gott gesprochen, doch zweierlei habe ich gehört“ (Ps. 62:12)[22]; und so ist „im innersten Quell“ lediglich „ein Leben und ein Sein und ein Werk“ (P. 6) und „alle Dinge sind ein Licht, welches ausgeht vom Vater“ (S. LVIII1).

 

Doch da wir, solange wir noch nicht eingegangen ins bürgelîn, stets noch zweierlei hören bleibt eine formelle Distinktion zwischen „Zeugungs“- und „Schöpfungswort“ (Verbum insitum, Verbum prolatum) noch stets geboten, denn „der Vater offenbart sich die Gottheit selbst und offenbart sie seinem Sohn, und der Vater und der Sohn offenbaren sie dem heiligen Geist, und die drei Personen offenbaren sie den Kreaturen“. Gott spricht also das Verbum insitum um sich selbst zu durchkennen, die Schöpfung aber gerade aus dieser Erkenntnis seiner selbst (dem Sohn), die er „übersprudelnd“ (ebullito) im Verbum prolatum mitteilen will[23]:

 

“Denn Gott hat nicht die Creation erbohren, daß er dadurch vollkommen würde, sondern zu seiner Selbst-Offenbarung als zur großen Freude und Herrlichkeit: Nicht das solche Freude erst habe mit der Creation angefangen: Nein, denn sie ist von Ewigkeit im großen Mysterio gewesen, aber nur als ein geistlich Spiel in sich selber. Die ganze Creation ist dasselbe Spiel aus sich selber“ (Böhme, De. Sig. Re. XVI, 2).

 

Die Schöpfung ist also gewissermaßen die ûzwendicheit des „ewigen Liebe-Spieles“, das „Aus-sprechen“ des ewigen Wortes (verborgen wort), das „ruhet an der Brust des Vaters“ (Joh. 1:8) („Gott ist gesprochen und ungesprochen“; P. 53); denn als sich der Vater im Sohne erkannte, da „wollte er ausgehen aus seiner heimlichen Schatzkammer der ewigen Vaterschaft, in der er ewiglich unausgesprochen innebleibend geschlafen hat“ (P. 22) und das Verbum insitum, das ewig in stiller dûsternisse geschwiegen wird, „das hat sich in Formungen als ein ausgesprochenes Wort oder Hall mit der Gebährung in des großen Mysterii eingeführet“ (De. Sig. Re. XVI, 3).

 

Wie Eckhart im Granum sinapsis dichtet:

 

In dem Anfang

hoch über dem Begriff

ist stets das Wort.

Reicher Hort, in dem

stets Anfang Anfang gebar!

Brust des Vaters,

aus der mit Lust

das Wort stets floß!

Doch hat der Schoß

das Wort behalten, das ist wahr[24]

 

Das Wort fließt aus und bleibt doch ewig im Schoße der Gottheit [25], sprudel stets über (ebullitio) und bleibt immer im „innersten Quell“: „Er geht ganz aus sich heraus und bleibt doch ewig im Grund“ (Rgveda III, 55.7). Man könnte vielleicht sagen die bullitio ist der Punkt in dem alles ewig beschlossen liegt und sich via ebullitio in den Umfang „aus-sprudelt“.

 

Die inner-göttliche Communion („göttliche Liturgie“, Trisagion) der Dreifaltigkeit ist also der Quell-Brunn allen Seins, ein ewig in-sich geschlossener Zirkel[26], der alles umgreift („…der Umfang ist das unbegreiflich Wirken der drei Personen“; I.357), sodass es schlicht nichts gibt, was außerhalb ihrer gedacht werden könnte –  „Denn In ihm leben, weben und sind wir“ (Apg. 17:28) und gôtes wesen ist mîn leben (P. 6); ja, für Eckhart – und hier bricht der Dominikaner klar mit der thomistischen Tradition – geht die Erkenntnis dem Sein (esse) noch voraus, bricht ja, wie wir sahen, aus der väterlichen mügentheit nicht etwa das wesen, sondern die wisheit; da diese Weisheit (sapientia) aber wesentlich der Erkenntnis angehöre („pertinet ad intellectum“) müsse gesagt werden, dass, in Divinis, das Erkennen dem Sein (esse) vorausgehe[27]. Der Gott Eckharts weiß, „bevor“ er ist und „Gott ist, weil er weiß[28] und die Erkenntnis (gnosis) seiner selbst ist der Sohn, sodass man in der Tat sagen kann der Trinitarische actus gehe dem göttlichen Esse voraus[29] - Im Anfang war: die Tat!:

 

„Wäre an Gott das eine irgendwie edler als das andere, wenn man das sagen könnte, so wäre es die Erkenntnis (verstantnisse); denn im Erkennen ist Gott sich selbst offenbar, im Erkennen verfließt Gott in sich selber, im Erkennen fließt Gott aus in alle Dinge, im Erkennen schuf Gott alle Dinge. Und gäbe es in Gott kein Erkennen, so könnte es die Dreifaltigkeit nicht geben; so wäre auch keine Kreatur je ausgeflossen“ (P. 80).

 

Ja, man könnte diese letzte Einsicht geradezu umdrehen und sagen: Wäre Gott nicht dreifaltig wäre Gott nicht; statt einem „exoterischen“ Dogma wird die Trinität für Eckhart hier also schlechterdings zur metaphysischen Notwendigkeit[30], denn wäre Gott nicht Gnosis[31], wäre wirklich „Nicht mal das Nichts“ und „so der Sohn nicht mehr in dem Vater leuchtete, so wäre der Vater ein finster Tal“ (Böhme; Aurora II, 22). So erklärt Eckhart dann auch, Sein (esse) sei das Erst-Geschaffene („prima rerum creatarum est esse“; Q. P.) und der „erste Name Gottes“ (In. Ex.).

 

Wir sind hier also weit entfernt von einer einfachen Dichotomie von Sein und Über-Sein, Ishvara und Brahman, Theos und Hyper-Theos; sind die drei Hypostasen ja keinesfalls bloße „Namen“ Gottes[32] (im Sinne der Transzendentalien bzw. „Qualitäten“ [gunas]), sondern viel mehr das Wirken (Erkennen) und Leben der abgründigen gotheit selbst  (und nach dem Satz der Identität von Erkannten und Erkennendem in divinis absolut nicht von derselben zu trennen); ein Wirken, dass wesenhaft über-seiend ist und aus dem das esse (und alles was darin subsistiert) überhaupt erst resultiert („sprudelt“), denn „alles (esse) hat er in Weisheit (Erkenntnis) gemacht“ (Ps. 104):

 

„Gott wirkt oberhalb des Seins in der Weite, wo er sich regen kann; er wirkt im Nicht-Sein. Ehe es noch Sein gab, wirkte Gott; er wirkte Sein, als es Sein noch nicht gab. Grobsinnige Meister sagen, Gott sei ein lauteres Sein; er ist so hoch über dem Sein, wie es der oberste Engel über einer Mücke ist. Ich würde etwas ebenso Unrichtiges sagen, wenn ich Gott ein Sein nennte, wie wenn ich die Sonne bleich oder schwarz nennen wollt“ (P. 9).

 

Wir haben hier also wirklich jene „über-wesende Dreifaltigkeit“ („Trias hyper-ousiè, kai hyperthee…“; Theologia Mystica) von der schon Dionysius sprach und nicht einfach eine „limitierende“ Determination der all-mügentheit. Denn wenn sich auch der Vater erst im Sohn als Vater erkennt, ist er, als principium sine principio, „der ungenaturten Natur (natura non creata non creans) so nahe wie der genaturten Natur, denn sie ist eins mit ihm“ (T. 7) bleibt also noch stets identisch mit dem grunt der gesamten Gottheit selbst [33] (von der er sich allein formell qua seiner „naturung“ des Sohnes, unterscheidet-nicht-unterscheidet „…da hat diu muoterlicheit vaterlîchen namen[34]“), wird jedoch keinesfalls durch seinen „Ausgang“ in se irgend limitiert, sondern gebiert „im Grunde (grunt) bleibend“ [35] sein eigenes „Abbild ohne Abbild“ (bilde âne bilde), den Sohn, in dem er sich ganz und ohne Verschiedenheit erkennt: „Gott selbst schaut in sich und erkennt in sich alle Dinge“ (P. 102), er ist ein volkomen însehen in sich selber und ein abgrûndic durchkennen sîn selbes mit im selber (P. 101) bis in die letzten „Winkel der Gottheit“ (P. 69).

 

Der Sohn ist also nicht einfach ein „niederes Absolut“ (apara-brahman), wie unsere ésotéristes hatifs wohl gerne meinen [36], sondern wahrhaftige Theophanie des Grundes selbst (para-brahman) das Herze in dem Vater, was leuchtet in dem ganzen Vater, gleichwie die Sonne in der ganzen Welt“ (Aurora, III, 20) und ihm in allem gleich geschaffen  („per omnia coaequalem Deum genuit“; In Ioh.), womit er auch „aleine bilde gotes und der gotheit ist“ (P. 70), gibt ihm der Vater ja „alles, was er zu bieten vermag seine ganze Gottheit und Seligkeit“ und „behält sich selbst nichts zurück: Fürwahr, ich sage: die Wurzel der Gottheit, die spricht er völlig in seinen Sohn“ (P. 27).

 

Wir sind hier also weit entfernt von einem  „God beyond God“[37] im eigentlichen Sinne, denn der Sohn ist die volle Offenbarung des Deus absconditus, das abgrûndic durchkennen (P. 101) des unbekanten übergoteten gotes[38], worin der Vater seine ungründigestes Wesen schaut: „Und das Schauen seiner eigenen Natur (essentia) ist der ewige Sohn“ (S. VIII1):

 

„Alles, was der Vater hat und was er ist, die Abgründigkeit göttlichen Seins und göttlicher Natur, das gebiert er alles in seinem eingeborenen Sohn. Das hört der Sohn von dem Vater, das hat er uns geoffenbart“ (P. 29).

 

So bleibt also wirklich nur noch mit dem Apostel festzuhalten, dass in Ihm Deum de Deo, Lumen de Lumine[39] die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt (Kor. 2:9) und dass es daher schlicht keine Real-Distinktion (im Sinne eines Hierarchismus) zwischen dem einvaltigen grunt und der Dreiheit der göttlichen Trinitas geben kann, weshalb die Dreiheit auch keinesfalls „numerisch“ aufzufassen ist, ist sie ja „das reine, formenfreie Sein göttlicher Einheit, das ein überseiendes Sein ist“ (P. 83). So sagt uns der Meister dann auch:

 

„Die Unterschiedenheit kommt aus der Einheit (unum), <ich meine> die Unterschiedenheit in der Dreifaltigkeit. Die Einheit ist die Unterschiedenheit, und die Unterschiedenheit ist die Einheit. Je größer die Unterschiedenheit ist, umso größer ist die Einheit, denn das <eben> ist die Unterschiedenheit ohne Unterschied. [40] Wären da tausend Personen, so wäre doch da nichts als Einheit“ (P. 10).

 

Wenn wir dies nun herausgestellt haben, was bleibt von den anfänglichen Bemerkungen zu halten? Was ist nun mit dem bürgelîn, in das nicht mal Gott hineinschauen kann? Hörten wir nicht, dass es ihn seine „göttlichen Namen“ und „personhaften »Eigenheiten«“ kosten müsse? freilich und ohne Zweifel, denn im bürgelîn des über-seienden grunts ist weder „Differenz noch numerische Diversität“ (In Ioh.) weder „Namen noch Natur“ (P. 53) doch gerade darum schließt die „absolute Einheit“ die „absolute Distinktion“[41] keinesfalls aus, denn hier, „im innersten Quell“, wo alle Radii sich treffen im einem Punkt („...gâr unbewegit stêt sîn punt“), wo der väterliche grunt sich ganz âne mittel und âne bilde[42] im Sohne abgrûndic durchkennt, da herrscht schlicht 'höchste Identität' (tad ekam), underscheit âne underscheit, und „sind die drei Personen einfach und absolut eins“ (In Ioh.), dort ist er „Eins ohne Einheit[43]; Drei ohne Dreiheit (trinitate), bonus sine qualitate (nir-guna)“[44] und ist wirklich „weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist in diesem Sinne und ist doch ein Etwas, das weder dies noch das ist“ (P. 2). Tritt die Seele hier ein in diese stille dûsternisse, ins „große Mysterio des geistlich Spiels“, ist alles ûzwendice Wirken überschritten, „da gibt es nur Ruhe und ein Feiern dieser Geburt und diesem Werk gegenüber: dass Gott Vater dort sein Wort spricht“ (P. 101); denn wer hier eingeht hat die Trias hyperousiè nicht etwa hinter sich gelassen, er ist auf mystische Weise selber der Sohn[45] (tat tvam asi) und in ihm dem Vater gleich und im Hl. Geiste eins mit ihm (mügentheit, glichnis, einunge): „In dem ewigen Wort ist das, das da hört, auch das, was gehört wird“ (P. 18) da „gebiert mich der Vater als seinen  eingeborenen Sohn ohne jeden Unterschied“ (Pr. 6). Das könnte man freilich Nicht-Dualismus nennen (advaita-vāda), aber echt Trinitarischen Nicht-Dualismus.

 

Die berüchtigte Passage, in der Eckhart die Trinität zum „niederen Absolut“ zu erklären schien erweist sich also im Gegenteil geradezu als Affirmation der absoluten Nicht-Verschiedenheit (a-dvaita) von Unum und Trinitas[46] bzw. „Gleichwertigkeit“ von Vater und Sohn[47]  – „Wer mich schaut, schaut den Vater“ (Joh. 14:9) und wo der Vater ist da ist immer der Sohn, denn "des Vaters einziger Wille ist es ewig den Sohn zu gebären" (Bonum est diffusivum sui) und wo der Sohn nicht ist kann auch der Vater nicht sein, denn das "Gute" ohne "Güte" ist nicht das Gute, weshalb auch eine Trennung von "Gottheit" (nirguna) und "Gott" (saguna) stets nur rein konzeptionell sein kann (ebenso wie eine Trennung von Wasser und Feuchtigkeit, Feuer und Licht in der Realität nie objektiven Bestand haben kann).

 

Der Dreifaltige Gott des Christentums ist es also gerade, welcher die Ishavara-Brahman Dichotomie überwindet; denn „unbekannten Gott“, God beyond God,  „den verkünden wir euch!“ (Apg. 17:23). Und so sei dann auch allen ésotéristes hâtifs erinnert, was wir zu Beginn jener Predigt hörten, namentlich dass es gerade Christus ist, der „einging in das Bürglein“ (lntravit Jesus in quoddam castellum…) und dort empfangen wurde. Denn statt die Dreifaltigkeit als apara-brahman zu verwerfen, ist es gerade nur durch unsere einunge mit dem Sohn, der Geburt des Wortes in der Seele, durch die wir selbst Sohn werden, dass wir eintreten können in jenes bürgelîn; denn „niemand kommt zum Vater als durch den Sohn“[48] (Joh. 14:6) und Christus ist der Bräutigam der die Seele einführt in „den Weinkeller“ (Hoh. 2:4), in jene „Kammer dessen, der mich gebar“ (Hoh. 3:4):

 

Dort, wo er ausging aus dem Allerhöchsten, dort wollte er wieder eingehen mit seiner Braut im Allerlautersten und wollte ihr offenbaren die verborgene Heimlichkeit seiner verborgenen Gottheit, wo er mit sich selbst und allen Kreaturen ruht“ (P. 22).

 

„Der König führt mich in seiner Gemächer“ (Hoh. 1:4); und in diesem ewigen Aus- und Eingang des Wortes wird der „verborgene Schatz“ offenbar, der Deus absconditus wird im Sohne zum Deus revelatus, denn „die Natur des Wortes ist es, das Verborgene zu offenbaren“ (P. 101), und bleibt „nichts verborgen, das nicht offenbar werde“ (Lk. 12:2) und so dürfen auch wir hoffen, dass wir Ihn in illo tempore „erkennen, gleichwie wir erkannt sind“  (1. Kor. 13:12), nicht das „Gesicht des Ishvara“, sondern Deo volente  „Ihn sehen werden, ganz wie Er ist“ (1. Joh. 3:2), denn „niemand schaut die Gottheit, als der, der selber Gott ist und am Herzen des Vaters ruht; er hat Ihn uns offenbart“ (Joh. 1:18).

 

Daz wir alsus sîn ein bürgelîn, in dem Jesus ûfgange und werde enpfangen und ewicliche in uns blibe in der wise, als ich gesprochen hân, des helfe uns got. Amen.

 



[1] „The Trinity necessarily corresponds to a more relative point of view than that of Unity”; F. Schuon, The Fullness of God, chp. 2.

[2] vgl. Francois Chenique, Introduction à l‘ésoterisme chrétien, traité I.5.

[3] Rührt māya ja auch gerade vom Zählbaren, vom „Maß“, was sich für den „dreifachen“ Gott schon von vornherein nicht gut ausnehmen kann.

[4] vgl. B. McGinn, The Mystical Thought of Meister Eckhart.

[5] vgl. den Beitrag „Koan und Christentum“ auf diesem Blog.

[6] vgl. hierzu auch: R. Guenon, Les États multiples de l’Étre.

[7] Cusanus, De docta ignorantia.

[8] „Gott war noch vor dem Nichts“ (S. LVIII 1).               

[9] „Item est negatio negationis, quae est purissima affirmation et plentitudo termini affirmati.” (In. Ex.).

[10] „Unum est negatio negationis” (In. Ioh.).

[11] vgl. u.a. Predigt 15, in der Eckhart eine klare Unterscheidung zwischen dem höchsten Sein (esse), „das die Engel formlos erfassen“ und dem „einigen Einen“ des göttlichen Grundes vornimmt.

[12] Mügentheit ist sowohl mit „Macht“ (als „Vermögen“), als auch mit „Possibilität“ (im Sinne der „Mögichkeit“) zu übersetzen. Largie definiert: „Die potentia (mügentheit) ist die in der Trinität dem Vater zugeschriebene Kraft, die sich in der Schöpfung und in der Inkarnation ausspricht“ (Meister Eckhart: Werke I, S. 1062). Ähnlich auch Kelley: „When Eckhart speaks of »divine power« (mügentheit) or »all-mighty« he means »all-possibility«“ (Divine Knowing, p. 260).

[13] „Wille“ ist hier natürlich rein „metaphorisch“ aufzufassen, dass dieses „Prozess“ freilich jegliche Kontigenz/Determinismus-Dichotomie übersteigt; Eckhart ist weit von einem Voluntarismus entfernt.

[14] Schon hier könnte man mit Ramanuja Einspruch gegen den „unqualifizierten Monismus“ eines Shankara Einspruch einlegen; ist der Vater ja schlicht nicht ohne Sohn zu denken, „Brahman“ nicht ohne seine „Qualitäten“, denn Bonum est diffusivum sui, und wäre Bonum nicht diffusivum wäre es nicht Bonum.

[15] Wobei hier kaum von “Wille” im eig. Sinne zu reden, ist das Zeugen-Gezeugt-Werden ja schlicht die Natur der Trinität per se: “It transcends the antinomy of what is necessary, and the contingent; entirely personal and entirely nature; liberty and necessity are one, or, rather, can have no place in God”, Lossky, chp. 3.

[16] „Tertio, quod sic in ipso sunt omnia, ut pater in filio non sit nee in patre filius, si pater non sit unum, id ipsum cum spiritu sancto, aut ftlius id ipsum quod sit spiritus sanctus” (S. IV).

[17] „Der vater und der sun die geistent den heiligen geist, da der heilige geist gegeistet wirt, wan daz ist wesenlich und geistlich“ (Pr. 29); vgl. vor allem auch S. LVIII 1.

[18] „Gott ist ein Quell der in sich selber quill“; St. Dionysius.

[19] „… ewiges und unveränderliches Aus- und Eingehen: aus der Gottheit in das Sein und vom Sein in die Gottheit“ (In Ioh.).

[20] „In ein und demselben Wort sagt Gott sich selbst und, was er hervorgebracht hat, aus" (Uno eodemque Verbo dicit seipsum et quaecumque fecit; Anselm, Monologion, 33); „There is but one filiation in reality, although there be two in aspect; Thoms, Sum. Theo. III 35.5, ad 3.

[21] Hierher rührt auch die zentrale Eckhart’sche Einsicht, dass das Wort in der Seele „auf dieselbe Weise und nicht anders“ hervorgeht, wie in der ewigen Gottheit selbst, ist es ja immer schlicht ein Wort: „Der Vater gebiert seinen Sohn ohne Unterlaß, und ich sage mehr noch: Er gebiert mich als seinen Sohn und als denselben Sohn. Ich sage noch mehr: Er gebiert mich nicht allein als seinen Sohn; er gebiert mich als sich und sich als mich und mich als sein Sein und als seine Natur. Im innersten Quell, da quelle ich aus im Heiligen Geiste; da ist ein Leben und ein Sein und ein Werk. Alles, was Gott wirkt, das ist Eins; darum gebiert er mich als seinen Sohn ohne  jeden Unterschied“ (Pr. 6) und weiter: „… alle Dinge sind ein Licht, welches vom Vater erstrahlt um sein verborgenes Licht zu offenbaren. Und wie alle Dinge als ein Licht ausfließen, so fließen sie auch als ein Licht zurück“ (S. LVIII 1); die Identifikation von „Zeugungs“- und „Schöpfungswort“ könnte hier kaum augenfälliger sein. Kelley halt diesbezüglich fest: „Thus all that is manifest and nonmanifest is, in principle, God. God is not the manifested, but principially (tamquam in principio) the manifested is God” (Divine Knowledge, p. 92).

[22] Einen anderen Vers, den Eckhart diesbezüglich mit Vorliebe, wenn auch in sehr freier Übertragung, angibt ist Hiob 33:14: „Gott spricht einmal und für alle Zeit und wird dasselbe nicht ein zweites Mal sagen“.

[23] „It is not by means of this All that he knows himself, but by his knowledge that he becomes this All”; Coomsaraswamy, Hinduism and Buddhism, p. 14. Hier liegt ein klarer Unterschied zur Islamischen Konzeption des “göttlichen Seufzers“: „Ich war ein verborgener Schatz und Ich sehnte mich danach, erkannt zu werden; also schuf ich die Welt“ (Hadīth qudsī).

[24] In dem begin

hô uber sin

ist ie daz wort.

ô rîcher hort,

dâ ie begin begin gebar!

ô vader brust,

ûz der mit lust

daz wort ie vlôz!

doch hat der schôz

daz wort behalden, daz ist wâr. (Granum sinapis)

[25] „Mein Schoß ist der große Brahman, worin ich meinen Samen lege“ (B.G. XIV, 3)

[26]  Ähnlich dem “Gott-Kreis” Böhmes der ewig seine 7 Zyklen durchläuft: „Also gehet aus Gott dem Vater aus (in seine Tiefe) aus allen seinen Kräften und gebieret den Glanz, das Herze oder den Sohn Gottes in seinem Centro. Den vergleicht man der runden Kugel der Sonne, der leuchtet über sich, unter sich und neben sich, und gehet der Glanz samt allen Kräften aus dem Sohne Gottes in den ganzen Vater (Aurora, III, 29).

[27] „… sapientia autem, quae pertinet ad intellectum, non habet rationem creabilis” (Q. P.). 

[28] „… weil er erkennt, deshalb ist er, in der Weise, dass Gott Intellekt und Erkennen ist und das Erkennen selbst die Grundlage seines Seins ist“ (Q. P.) .

[29] „God’s first »act«  was to establish being … the »work«  of Beyond-Being is to establish Being … one could say that God becomes being where once there was nothingness”; R. Shah-Kazemi, Paths to Transcendence, p. 139.

[30] Denn nach Eckhart konstituiert sich schlicht jeder Akt aus einer Drei-Einheit der Momente (Wirken-Gewirktes-Wirkendes): „Sic ergo omnis actio naturae, moris et artis habet de sui integritate tria, puta generans, genitum et amorem gignentis ad genitum et geniti ad gignentem“ (In Sap.). Des Weiteren überträgt er auch die absolute Einheit von Erkennendem und Erkanntem in Divinis analog auf alle Erkenntnis-Akte per se, was in der weiteren Implikation eine echt jñanische Interpretation der Theosis (bzw. Geburt des Wortes in der Seele) nach sich zieht;  vgl. hierzu auch K. Flasch, Meister Eckhart: Philosopher of Christianity, chp. 14.

[31] „Deus enim unus est intellectus, et intellectus est deus unus“ (S. XXIX).

[32] „Gott ist erhaben über Namen und über Natur“ (P. 53).

[33] „… patrem qui fons est totius deitatis […] unum fons est primo primae emanationis, filii scilicet et spiritus sancti a patre aeterna processione” (In Ioh.).

[34] „Diu dritte vrage ist: wa diu vaterlicheit hat muoterlichen namen? . . . Da sich persônlich verstentnisse heldet zuo der einicheit der nature und gemeinet sich da mite, da hat diu veterlicheit muoterlichen namen uncle wirket muoterlich werk, wan daz ist eigentlich ein muoterlich werk, daz si enpfahe da daz ewic wort entspringet. In dem wesenlichen gehugenisse da hat diu muoterlicheit vaterlichen namen und wirket veterlich werk“ (Pf. CIII).

[35] „Soll der Vater seinen eingeborenen Sohn gebären, so muß er sein (eigenes ) Bild als in ihm selbst im Grunde bleibend gebären. Das Bild, wie es ewiglich in ihm (forme illius) gewesen ist, das ist seine in ihm selbst bleibende Form … Dennoch ist er weder dies noch das, und so läßt sich der Vater nicht daran genügen; vielmehr verzieht er sich wieder in den Ursprung, in das Innerste, in den Grund und in den Kern des Vaterseins, wo er ewiglich innen gewesen ist in sich selbst in der Vaterschaft und wo er sich selbst genießt, der Vater als Vater sich selbst im einzigen Sohn. Hier sind alle Grasblättlein und Holz und Stein und alle Dinge Eines. Dies ist das Allerbeste, und ich habe mich darein vernarrt.” (P.51); wie McGinn bemerkt: „In this text there seems to be no difference at all between the Person of the Father and the grunt”, vgl. The Mystical Thought of Meister Eckhart, p.86.

[36] „The Father is the Absolute whereas the Son and the Holy Spirit pertain to Relativity and are as it were its foundations. This interpretation is irrefutable, because if the Son were the Absolute he could not be called »Son«”; F. Schuon, The Fullness of God, p. 117. Ein rein semantischer Einwand, sagt uns ja Eckhart oft genug, dass der Sohn ebenso den Vater gebiert wie vice versa: „Aus der Lauterkeit hat er mich ewiglich geboren als seinen eingeborenen Sohn selber in das Bild seiner ewigen Vaterschaft, damit ich Vater sei und den gebäre, von dem ich geboren bin“; Maria: figlia del tuo figlio.

[37] Wobei natürlich eine – rein intellektuelle – Trennung zwischen Personen und Essenz, der „wirkenden“ Gottheit und dem absolute „nicht-wirkenden“ Grund (vgl. P. 11: „Gott wirkt, die Gottheit wirkt nicht; Gott und Gottheit unterscheiden sich im Wirken und Nicht-Wirken“), der natura non creata non creans des Scotus Eriugena, denn „die Essenz der Gottheit zeugt nicht (ingenitum est et non gignens) … und ist nur eine Essenz, die allen Dingen Leben und Sein schenkt“ (S. LVIII 1): „In a formal or purely logical sense, there is of course a »God beyond God«, that is to say a Godhead »prior to« the Trinity, just as, from a theological point of view, there is an Essence »prior to« the Persons. Yet it is in fact definitive of Christianity to transcend that »God beyond God« conception: to reject the idea of a Sabellian Trinity. Recall the words of Christ himself: »He that sees me sees the Father«, which permit us to conclude that the Father is the Godhead seen in the Son. The Godhead – the »hidden treasure« - is revealed or »known« in the Son, in relation to whom he »becomes« the Father”; W. Smith, Christian Gnosis, ebd.

[38] „Gott ist unbekannt, aber der Sohn, aus dem Schoß der Gottheit kommend, hat ihn uns offenbart“ K. Flasch, Philosoph des Christentums,  S. 216. Wir können uns diesen „Hervorgang“ durchaus analog zur „Geburt“ des Böhme’schen Gottes denken, der die Dunkelheit des „Zornfeuers” überwindet und ganz in sich aufhebt, auch wenn Eckhart natürlich keinesfalls Theosoph ist, sondern bei aller „Esoterik“ stets durch und durch scholastisch bleibt.

[39] „God is a light shining in itself in silent stillness. The one light, the one essence itself, which knows and understands itself. The understanding of this unique light is the light from the light, it is the eternal Person of the Son … The Word of the Father is none other than his understanding of himself. The understanding of the Father understands that he understands, and that his understanding understands is the same as that he is who is understanding. That is, the light from the light. … . The Father’s view of his own nature is his Son. The Father embraces his own nature in the quiet darkness of his eternal essence which is known to none except himself. The glance returned by his own nature is his eternal Son” (S. LVIII 1; trans. by B. Evans).

[40] „The key to the analysis is to understand unum as the »not-to- be-distinguished«.  That is its distinguishing mark. To conceive of God as unum is to conceive of him as simultaneously distinct and indistinct, at once immanent and transcend”; B. McGinn, The God beyond God Da die Drei-Einheit über-seiend ist und keinesfalls der sog. “mathematischen”, sondern einzig der metaphysischen Unendlichkeit (vgl. hierzu Guenon) angehört ist sie auch keinesfalls irgend „numerisch“ zu nennen, weshalb es auch von diesem Punkte aus keinen Unterschied macht ob es nun Drei oder „tausend Personen“ sind, denn bei Gott ist zal âne zal (Pr. 29).

[41] „In Gott, absolute Einheit ist absolute Vielfalt, absolute Identität ist absolute Diversität“; Cusanus, De docta ignorantia.

[42] vgl. Predigt 69 (Modicum et iam non…), in welcher Eckhart die volle Konsequenz aus dieser Erkenntnis zieht: „Wäre kein Vermittelndes (modicum) zwischen Gott und der Seele, so würde sie ohne weiteres Gott sehen; denn Gott kennt kein Vermittelndes; er kann auch kein Vermittelndes dulden … Solange die Seele nichtentblößt ist von allem Vermittelnden (hier auch im Sinne des yogischen „cittavṛtti“), so klein es auch sein mag, so lange sieht sie Gott nicht … Das ewige Wort aber ist das Vermittelnde, ist das Bild selbst, das da ohne Vermittelndes und ohne Bild (âne mittel und âne bilde) ist“; siehe hierzu auch: W. Smith, Christian Gnosis, chp. 6.

[43] “He is the One without oneness and the Single without singleness”; Ibn Arabi, Fusus.

[44] „Deus autem est ab omni numero proprie eximitur. Est enim unus sine unitate, trinus sine trinitate, sicut bonus sine qualitate“ (S. XI). 

[45] „Alle Menschen sind ein Mensch in Christus“ (Tauler); Eckhart (P. 16B): „Darum ist einzig der nur ein gerechter Mensch , der alle geschaffenen Dinge zunichte gemacht hat und geradlinig ohne alles Auslugen auf das ewige Wort hin gerichtet steht und darein eingebildet und wiedergebildet in der Gerechtigkeit. Ein solcher Mensch empfängt dort, wo der Sohn empfängt, und ist der Sohn selbst. Eine Schrift sagt: >Niemand erkennt den Vater als der Sohn< (Matth. 11:27) , und deshalb: Wollt i h r Gott erkennen, so müßt ihr dem Sohne nicht allein gleich sein, sondern ihr müßt der Sohn selber sein“.

P. 67: „Da nun Gott (Christus) im Grunde des Vaters ewig innebleibend ist und ich in ihm (als) ein Grund und als derselbe Christus, (als) ein Träger meiner Menschheit, so ist sie sowohl die meine wie die seine in einer Substanz des ewigen Seins, so daß beider Sein, des Leibes und der Seele, in einem Christus vollendet werden als ein Gott, ein Sohn“.

P. 46: „Soll der Mensch Gott erkennen, worin seine Seligkeit besteht, so muß er mit Christus ein einziger Sohn des Vaters sein; und darum: Wo llt ihr selig sein, so müßt ihr ein Sohn sein, nicht viele Söhne, sondern ein Sohn … und darum ist da nur ein naturhafter Ausfluß des Sohnes, nicht zwei, sondern einer. Und darum: Sollt ihr ein Sohn sein mit Christus , so müßt i h r ein einziger Ausfluß mit dem ewigen Worte sein“.

P. 25: Wenn der Wille so ( mit Gottes Willen ) eins wird, daß ein einziges Eins daraus wird, dann gebiert der Vater vom Himmelreich seinen eingeborenen Sohn in sich (zugleich ) in mich . Warum in sich (zugleich ) in mich? Weil ich j a eins mit ihm bin, er kann mich nicht ausschließen, und in diesem Werke empfängt der Heilige Geist sein Sein und sein Werden von mir ebenso wie von Gott ! Warum? Weil ich (ja doch) in Gott bin. Empfängt er (d. h . der Heilige Geist) es nicht von mir, so empfängt er es auch von Gott nicht; er kann mich nicht ausschließen, in gar keiner Weise“.

[46] Man könnte dieses bürgelîn auch analog als Punkt inmitten aller Radii sehen, als „Auge des Sturms“ im Trinitarischen Sprudeln-Übersprudeln: „This circle … is all the Trinity has ever wrought. Why is the work of the Trinity called a circle? Because the Trinity … is the origin of all things and all things return into their origin. This is the circle the soul runs … So she goes round in endless chain ... Spent with her quest she casts herself into the centre. This point is the power of the Trinity. The circumreference is the incromprehensible work of the Three Persons … The union of the Persons is the essence of the Point. In this point God runs through change without otherness involving into unity of essence, and the souls as one with this fixed point is capable of all things.” (Eckhart, I.357).

[47] „The Word of God in God is God in every respect, is identically the Principle, and whatever may be predicated of God may also be predicated of the eternal Word”; C. F. Kelley, Divine Knowledge, p. 114.

[48] D.h. „als der, der selbst  Sohn ist“, denn so müssen wir das „Niemand sieht den Vater, als der, der  Gott ist“ (Joh. 6:46) vor dem Hintergrund der Eckhart’schen Gnosis durchaus in seiner ganzen Literalität auffassen; denn der Sohn ist das absolut Vermittelnde ohne Vermittlung (daz mittel âne mittel): „Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch“ (Joh. 14:20). 

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